ADHS-Organisation elpos Schweiz

Wo ist das hypoaktive ADS geblieben?

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In jedem Referat wird oft nur über die hyperaktiven ADS-Betroffenen gesprochen. Zum Beispiel, wie und was man tun soll und was nicht, mit oder ohne Medikation. Gibt es wirklich nur die hyperaktiven ADS Betroffenen? Es scheint, als hätte man die hypoaktiven ADS-Betroffenen vergessen. Es gibt sogar Aussagen, die behaupten, dass es keine hypoaktiven ADSler gibt!

Eben doch gibt es SIE. Um dies herauszufinden braucht es die besondere Aufmerksamkeit der Eltern, Lehr- und Fachpersonen. Mit viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl kann der Unterschied und die Andersartigkeit erkannt werden. Da stellten sich viele Fragen: Welche Schwierigkeiten haben die hypoaktiven ADS-Betroffenen überhaupt? Wie erkennt man sie? Sind sie wirklich anders als die Hyperaktiven? Oder sind die Hypoaktiven einfach intelligenter und haben alles im Griff? Würde es zutreffen zu sagen, dass es mehr hyperaktive ADS-Betroffene gibt? Oder redet man einfach mehr über sie, da sie um einiges auffälliger sind und ziemlich nerven können? Wird mehr über die hyperaktiven ADSler geredet, um das Nerven des Hyperaktiven in den Griff zu bekommen? Haben die Hyperaktiven mehr oder weniger die gleichen oder ähnlichen Auffälligkeiten wie die Hypoaktiven? Oder sind die Hypoaktiven zu wenig interessant, weil sie in der Gesellschaft nicht auffallen? Kann man die hypoaktiven mit den hyperaktiven ADS Betroffenen wirklich vergleichen?

Eines ist festzustellen: ein Hypoaktiver kann nicht auffallen, wenn der hyperaktive ADS-Betroffene die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht und die Welt unbewusst für sich in Anspruch nimmt! Der Leidensweg von hypoaktiven ADS-Kinder und -Jugendlichen. Die hypoaktiven ADS-Kinder und Jugendlichen fallen in der Schule eher durch ihre langsame Arbeitsweise auf, sind im Unterricht sehr zurückhaltend, wirken verträumt und abwesend. Dazu kann meist eine ausgeprägte Konzentrationsschwäche oder eine Legasthenie (Lese-Rechtschreib-Schwäche), Dyskalkulie (Rechenschwäche), hohe Sensibilität und hohe Vergesslichkeit festgestellt werden.

Es gibt Kinder und Jugendliche bei denen lange kein ADS entdeckt wurde. Gerade Begabte können ihre Probleme oft gut verstecken. Viel lernen müssen sie nicht, um genügende Leistungen zu erreichen. Die Zeit läuft und die Kinder werden zu Jugendlichen. Die Schule wird von Jahr zu Jahr strenger, es wird mehr fürs Lernen und Wissen verlangt. Erst dann, wenn es zum Beispiel um das Lernen von Sprachen geht oder Themen auf sie zukommen, die nicht mehr so einfach aus dem Ärmel geschüttelt werden, können die Probleme sichtbarer werden. Bei Kindern, bei denen schon früh eine Legasthenie oder eine Dyskalkulie sowie eine Konzentrationsschwäche mit schwachen Schulleistungen festgestellt wurden, sind dies Themen eines beispielhaften Begleiters vom hypoaktiven ADS. Nehmen sich Eltern, die Schule und das Umfeld des Kindes diesen Themen an, ist dem hypoaktiven ADS-Betroffenen schon viel geholfen.

Werden die verschiedenen Themen in einer Abklärung nicht beleuchtet, können sich bei heranwachsenden Jugendlichen und später bei Erwachsenen vermehrt Schwierigkeiten im Leben zeigen. Meist ist während der Schulzeit das Selbstwertgefühl gesunken. Die Konzentrationsschwäche zeigt sich als Problem und die Vergesslichkeit fällt immer mehr auf. Auch verlegen und verlieren von Gegenständen und Flüchtigkeitsfehlern häufen sich. Der innere negative Dialog “ich kann das sowieso nicht, ich bin blöd,
mich mag eh keiner….“, führt zu Versagerängsten. Durch den Druck der vielen neuen Thematiken wird für den ADS-Betroffenen alles immer schwieriger.

Oft fühlen sie sich auch nicht mehr verstanden. Spätestens in der Lehre, am Arbeitsplatz sowie in den Beziehungen oder bei den Finanzen, manifestieren sich die Schwierigkeiten, wenn nicht vorher Therapien oder passende Werkzeuge zur Selbsthilfe, z.B. im Coaching, geschult werden. Hat der Betroffene keine Unterstützung während der Schulzeit oder Lehre erhalten, können auch plötzlich psychische Störungen auftreten. Wie zum Beispiel eine soziale Phobie, Aussichtslosigkeit, Angststörungen, psychosomatische Beschwerden und Schwierigkeiten im sozialen Umfeld.

Ein Rückzug und/oder eine grosse Passivität in solchen Situationen stehen dann oft im Vordergrund. Dadurch fühlt sich der ADS Betroffene meist wertlos und sein Selbstvertrauen ist am Tiefpunkt. Über ihre Schwierigkeiten mögen die Betroffenen meistens nicht reden, sei es aus Angst, Unsicherheit oder nicht verstanden zu werden. Nehmen sich Eltern, die Schule und das Umfeld des Kindes diesen Themen an, ist dem hypoaktiven ADS Betroffenen schon viel geholfen.

Was sicher helfen kann:
Da hypoaktive ADSler eher passiv sind, sich nicht unbedingt gut organisieren, fällt es ihnen schwer sich aktiv zu beschäftigen. Gut ist, wenn die Familie, Freunde, Kollegen dem Hypoaktiven bei der Freizeitgestaltung helfen, ihn zu unterstützen und zu animieren mitzumachen. Das motiviert sie und hilft ihnen, ihr Selbstwertgefühl zu stärken, Wertschätzung zu erfahren um in der Gesellschaft verstanden zu werden.

Es ist so! Es gibt Unterschiede zwischen den hyperaktiven und den hypoaktiven ADS Betroffenen. Sie fallen nicht auf, reden nicht viel, sind meist introvertiert und trauen sich nicht viel zu, da ihr Selbstwertgefühl in all den vergangen Jahren mehr und mehr gesunken ist. Bei einem Hyperaktiven kann der Kragen eher platzen und es können heftige Diskussionen geführt werden, ja vielleicht auch verletzende Worte ausgesprochen werden. Dazu möchte ich sagen, dass jeder Betroffene mutig sein soll, sich helfen zu lassen um Vertrauen für sich aufzubauen. Natürlich können die Betroffenen nichts dafür, aber etwas dagegen tun, um mehr verstanden zu werden liegt auch in den eigenen Händen.

In diesem Sinne: „Sei mutig und lerne Vertrauen in dich und deine Umwelt zu haben. Pflege Kontakte zu
Menschen, die dir gut tun. Sei mutig und mach auch einmal den ersten Schritt!“ ADS-Betroffene können durch eine frühzeitige Erkennung und gezielte Unterstützung / Begleitung ihre Talente wie die Einfühlsamkeit, die Kreativität, das Querdenken, die Verspieltheit, die Analysefähigkeit, die Beobachtungsgabe usw. entdecken und entfalten.

Unsere Gesellschaft braucht vielfallt. ADS-Betroffene gehören dazu. In eigener Sache: Elpos schreibt in den Texten in der Regel ADHS. Damit wird immer des Hyper- und Hypoaktive ADHS gemeint (beider Definitionen beinhalten das H für die Aktivitätsbeschreibung). Die Innere oder äussere Unruhe kann sich verschieden zeigen. Es sind auch Mischtypen möglich.

Lilo Schwarz Imhasly war Vorstandsmitglied bei elpos Zentralschweiz. Sie ist ADHS-Coach, Berufsbildnerin HR und Personalberaterin. Ihre Texte zeigen mögliche Veränderungsansätze auf.

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